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Amelia Earhart:  Eine Frau, ein Flugzeug und ein Verschwinden 

Ihr Körper ist verschwunden, ihr Flugzeug unauffindbar, aber der Name bleibt: Wie die Pilotin Amelia Mary Earhart am 2. Juli 1937 über dem Pazifik einfach spurlos verschwinden konnte, ist bis heute unklar. Die Pilotin stirbt bei dem, was sie am meisten liebt, dem Fliegen. Aber wie kommt es zu ihrem Verschwinden?  

Amelia entdeckt ihre Liebe zum Fliegen nicht wie andere „Legenden“ schon im Kindesalter, ganz im Gegenteil. 1909, mit zwölf Jahren, besucht Amelia eine Flugshow, welche sie jedoch zuletzt recht unbeeindruckt wieder verlässt. Amelia ist ein wissbegieriges, eigenständiges und aufgewecktes Kind. Sie macht gerne ihr eigenes Ding und kippt auch mal den Schnaps des Vaters, der Alkoholiker ist, ins Spülbecken, um ihn vom Trinken abzuhalten. Im 2. Weltkrieg arbeitet sie als Lazarettschwester in Toronto (Kanada), wo auch ihre Schwester lebt. Amelia spielt Tennis und reitet gerne. Ihre zweite Flugshow besucht sie mit drei Piloten aus der Air Force, die sie beim Reiten kennenlernt. Und dort ist es um das kleine Mädchen aus Kansas geschehen: Die Piloten, die dort nur knapp über dem Boden fliegen, Loopings drehen und mit vom Wind und Adrenalin geröteten Wangen lachend aus ihren Maschinen steigen, haben es ihr angetan – Amelia ist wie gefesselt von der Freiheit der Lüfte. Zurück in den USA besucht sie weitere Flugshows mit ihrem Vater; 1920 steigt sie zum ersten Mal als Passagierin in ein kleines Flugzeug. Doch das reicht ihr nicht. In den nächsten zwei Jahren arbeitet sie in mehreren Teilzeitjobs, um sich Flugstunden zu leisten. 1922 hat sie ausreichend Geld gespart, um sich ein eigenes kleines gelbes Flugzeug zu kaufen, sie nennt es „The Canary“ (der Kanarienvogel). 

Noch bevor sie 1923 als 16. Frau weltweit ihre Pilotenlizenz erwirbt, bricht sie im Oktober 1922 einen Weltrekord: mit 14.000 Fuß (4,27 km) Flughöhe ist sie die erste Frau, die jemals so hoch fliegt. 1928 bekommt sie einen Anruf von einem Agenten, er will sie an Bord eines transatlantischen Fluges holen. Mit zwei anderen, einem Piloten und einem Mechaniker, soll sie (zwar nur als Passagierin) in einem Flugzeug namens „Friendship“ einmal den Atlantik überqueren. Nach 20 Stunden und 40 Minuten landen sie. Und obwohl Amelia nur als, wie sie selbst sagt, „Sack Kartoffeln im Gepäck“ dabei war, wird sie zu einer Ikone. Sie wird zur Frau des Jahres gekürt und erhält internationale Aufmerksamkeit (siehe auch ihr Buch „20 Hrs, 40 Min.: Our Flight In The ´Friendship´). Danach bricht sie dreimal den Geschwindigkeitsrekord für Frauen beim Fliegen, hat ihre eigene Modekollektion und isst mit Präsident Roosevelt und seiner Frau (die mit Amelia in Kontakt trat) zu Abend. 

 Am 20.05.1932 fliegt sie als erste Frau mit nur einer Dose Tomatensaft im Gepäck von Amerika nach Irland – in15 Stunden einmal über den Atlantik. Sie landet auf einer Weide in Nordirland. „Kommen Sie von weit her?“, fragt der Bauer und Besitzer der verdutzten Kuhherde. „Allerdings, aus Amerika“, lacht Amelia. Mit ihren kurzen Locken, eindrucksvollen Statur und starkem, bewundernswertem Charakter ist Amelia ein Vorbild für viele junge Frauen der Zeit. Sie erhält Briefe von jungen Mädchen, die sie bitten, sie doch einmal in ihrem Flugzeug mitzunehmen. 

1936 schafft sich Amelia ein Flugzeug neuester Technik an, eine Electra Lockheed Modell 10. Der Plan: die Erde als erste Frau einmal ganz zu umrunden. Vor dem Start schreibt Earhart: „Ich bin mir den Risiken voll und ganz bewusst. Ich will es machen, weil ich es will. Frauen müssen dieselben Dinge in Angriff nehmen wie Männer, und wenn sie scheitern, muss ihr Scheitern anderen als Ansporn dienen.“ Zusammen mit dem Navigationsexperten Fred Noonan wird also eine Route geplant. Am 21.05.1937 geht es dann los, von Miami nach Brasilien, von Westafrika über Kalkutta und dann nach Rangun – mit Zwischenlandungen, denn die kleine Maschine kann nur Benzin für ungefähr 2.000 Kilometer tragen. Schließlich liegt nur noch der Pazifik vor ihnen. Kilometerweit nichts als Wasserwüste, kaum Festland für eine benötigte Zwischenlandung zum Tanken. Doch man findet eine Lösung. Die kleine, gerade mal 2,6 Quadratkilometer große Howlandsinsel, wird ausgebaut, sodass dort drei Landebahnen entstehen, zum Landen und Abheben. Das Benzin der kleinen Electra Lockheed reicht gerade so zum Erreichen der Insel aus, plus minus Reservesprit, falls der Gegenwind den Flug erschwert. Da Karten auf dem Meer wenig nützen, soll die Insel per Funk ausfindig gemacht werden. Das Schiff „Itasca“ wartet vor dem Ufer der Insel, um mit Amelia Funkkontakt aufzubauen und sie zur Insel zu lotsen. Am 02.07. soll das Flugzeug auf der kleinen Landebahn landen. Die „Itasca” empfängt den Funk von Amelia, noch läuft alles wie geplant. Ein paar Mitglieder der Mannschaft gehen an Deck und halten nach dem Flugzeug Ausschau, denn eigentlich sollte es nun in der Nähe sein. Auf dem Schiff ist extra eine zweite Funkstation besetzt, die mit dem Flieger Kontakt halten soll. Dort trifft um 07:42 Uhr morgens ein Funk von Earhart ein: „We must be on you but I cannot see you but gas is running low. Been unable to trace you by radio. Flying at 1000 feet.“ („Wir müssten direkt über euch sein, aber ich sehe euch nicht. Benzin wird knapp. Können euch nicht übers Radio erreichen. Wir fliegen auf 1000 Fuß.“ Es scheint, als würde Amelia die Funksprüche nicht erhalten, die die Funkstation in der „Itasca” sendet, denn sie antwortet nicht. Trotzdem trudeln weiterhin ihre Funksprüche ein. Die Funkstation versucht inzwischen, Amelia auf anderen Frequenzen zu erreichen, jedoch ohne Erfolg. Auch Earhart funkt konstant und erbittet stetig Antwort, die die „Itasca“ auch liefert, die jedoch nicht anzukommen scheinen. Um 08:44 Uhr funkt Amelia „Wir fliegen nördlich und südlich“, sie hat also vielleicht Schleifen mit dem Flugzeug gezogen, um das Schiff zu finden. Irgendwann bricht der Funkkontakt ab, die Leitung ist still. Eine Stunde nach dem letzten Kontakt wird die Suche eingeleitet. Über 17 Tage lang fliegen 64 Flugzeuge über den Pazifik und 8 Kriegsschiffe durchkämmen das Wasser. Ohne Erfolg. Amelia Earhart, Fred Noonan und die Electra Lockheed bleiben verschollen. 1939 wird Amelia offiziell für tot erklärt.  

Aber was wäre ein gutes Mysterium ohne die entsprechenden Theorien? Die wohl logischste und meistverbreitete Theorie ist so einfach wie deprimierend: Amelia und Fred stürzten mit ihrer Maschine ab und starben im kalten Wasser des Pazifiks. Obwohl man das Flugzeug nie fand, auch nicht am Meeresboden, scheint dies am wahrscheinlichsten. Eine zweite, optimistischere Theorie besagt, dass die beiden es geschafft haben, sich auf eine der kleinen Inseln weiter südlich zu retten. Auf der Insel Gardner Island fanden Suchtrupps Knochen, Schuhe, den Teil eines Navigationssystems, das in Flugzeugen eingebaut wird, und eine Flasche Likör, den Amelia wohl gerne trank. Die Knochen werden untersucht und stellen sich als die eines kleinen Mannes europäischer Herkunft heraus. Sie passen also weder zu Amelia noch zu Fred, der amerikanischer Herkunft war. Der untersuchende Wissenschaftler entsorgte die Knochen, sodass weitere Untersuchungen nicht mehr möglich sind. Weiterhin könnten die Aussagen eines jungen Mädchens diese Theorie unterstützen. Sie gibt an, über ihr Radio drei Stunden lang regelmäßig Funksprüche von Amelia empfangen zu haben. „Ich bin Amelia Earhart, ich brauche Hilfe, S.O.S., bitte helft uns! Das Wasser steigt.“ Sie soll im Folgenden beruhigend, jedoch angespannt auf einen verwirrt klingenden Mann eingeredet haben. Das Mädchen schreibt alle empfangenen Funksprüche auf und ihr Vater bringt die Notizen sofort zur Küstenwache, die ihn jedoch nicht ernst nimmt. Oder hätte Amelia Earhart von den Japanern gefangen genommen worden sein können, die die Gewässer zu ihrem „Territorium“ zählten? Oder, noch gewagter, war sie vielleicht eine Spionin der Amerikaner und ist absichtlich „gecrasht“, damit die Amerikaner einen Grund haben, in die japanischen Gewässer einzudringen? Oder wurde sie gar von Aliens mitten in der Luft entführt?  

Aber das ist dann doch etwas weit hergeholt, obwohl die Sci-Fi-Serie „Star Trek: Voyager“ diese Idee in ihrer zweiten Staffel aufgreift. Wie dem auch sei. Heute ist Amelia Earhart bestimmt nicht mehr am Leben, wahrscheinlich nicht mal mehr in einem Raumschiff von Marsmenschen. Fakt ist jedoch: Earhart ist eine der stärksten Frauen der Geschichte, die der Welt auf ihre Art gezeigt hat, dass Frauen genauso große Dinge erreichen können, wie Männer, wenn nicht größere. Und ihr Scheitern hat andere Frauen inspiriert. 1964 flog Jerrie Mock als erste Frau allein um die Welt. Doch auch Elly Beinhorn flog schon 1932 einmal um den Globus, wenn auch mit langen Zwischenstopps. Eine Frau braucht also nur ein Flugzeug, um den Himmel zu erobern.   

Lilly Altfeld, 9a